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Burnout

Als ich meinen Burnout hatte, hatte dieser Absturz noch keinen Namen.

Ich wurde in der Fahrgestellkonstruktion schnell zur Vertrauensfrau gewählt. Die Verhandlungen und Diskussionen mit Vorgesetzten lagen mir sehr am Herzen. Mein soziales Angagement konnte ich durch gute Argumente und meine gute Rethorik durchsetzen. Mein Vater war Führungskraft bei VW und mein ständiger Diskussionspartner und Lehrmeister, um die Argumente meiner Gegenspieler schon im Vorfeld zu kennen. Mich packte der Ehrgeiz und ich stürzte mich immer tiefer in die Gewerkschaftsarbeit. Ich nahm an vielen Gremien teil, besuchte viele Seminare und war selbst schon Referentin. Mein Terminplan war immer voll. Die meisten meiner Freunde kamen mittlerweile aus der Gewerkschaft. Ich war alleinerziehend und mir fehlte eine Schulter an die ich mich mal hätte anlehnen können. Im September 1999 lernte ich meinen Ex-Mann kennen, er breitete die Arme aus und fing mich immer auf, wenn es mir über den Kopf wuchs. Wieviel Kraft mich die Arbeit all die Jahre zuvor gekostet hat, mußte ich dann im November ´99 feststellen. Meine MS setzte sich mit einem starken Schwindelanfall wieder durch. Ich lief seitdem immer etwas neben der Spur, da ich mich permanent wie in einem Rauschzustand befand. Ich gab mir viel Mühe mir das nicht anmerken zu lassen. Leider kam ein halbes Jahr danach schon wieder ein Schub. Mein Partner war der festen Überzeugung zu mir stehen zu können und bat mich ihn zu heiraten. Kurz vor der Eheschließung hatte ich vor lauter Aufregung erneut einen Schub. Mein Partner hatte damals schon nicht den Mut mir die Hochzeit auszureden und zu seinen Ängsten zu stehen. Nach der Hochzeit sind wir 3 Wochen in die Flitterwochen gefahren, gleich danach mußte ich zur Kur. Als ich wieder zu Hause war schwankte die Stimmung stark zwischen uns. Mein Mann äußerte sich nicht so recht was sein Problem war und hat mich ziemlich lange zappeln lassen. Sicher habe ich das Spiel viel zu lange mitgemacht, aber ich war nicht in der physichen und mentalen Verfassung die Sache von mir aus zu beenden. Ich habe lange auf seine Rückehr gehofft. In der ganzen Zeit hat sich meine MS schon mehr progredient entwickelt. Mein Gleichgewicht ließ stark nach, meine Beine wollten nicht mehr so wie ich, mein Tremor wurde immer schlimmer. Ich hatte zwischendurch auch einmal Doppelbilder die sehr lange anhielten. Nach einem dreiviertel Jahr mußte ich mich in den Rollstuhl begeben. Da ich zu der Zeit noch berufstätig war, gab es auch hiermit Probleme. Die Krankenkasse stellte sich die Frage, ob sie oder die BFA die Rollstuhlkosten übernehmen müssen. So habe ich ein halbes Jahr mit einem zu großen und unbeweglichen Rollstuhl kämpfen müssen, bis ich die Zeitung eingeschaltet habe. Innerhalb von 2 Wochen stand ein passender Rollstuhl bei mir vor der Tür. Da feststand das ich den Rollstuhl nicht nur zur Arbeit,sondern im täglichen Leben auch brauche:-) Diesen Kampf mußte ich auch überstehen. Da ich ja nun keine vollwertige Kraft aus Gewerkschaftssicht war, hat man mich da auch schnell abserviert. Die Freunde wollten von meinen Kummer auch nichts mehr hören und verabschiedeten sich bevor ich wußte wie mir geschah. Als ich dann das letzte mal zur Kur war, meinte ein Psychologe das ganze mit Depressionen abspeisen zu können. Aber heute weiß ich, daß das ganze schon ein Burnout war.

Wenn diese Krankheit schon als solche erkannt und benannt worden wäre, hätte man vielleicht zu gegebener Zeit schlimmeres verhindern können. Ich hätte ganz aus dem Alltag weggemußt und in einer Klinik psychologisch wieder gestärkt werden müssen. Stattdessen habe ich mich durch meinen Alltag so gut es ging durchgequält und ca. ein dreiviertel Jahr schlaflose Nächte gehabt und auf meine Arbeit konnte ich mich auch nicht konzentrieren. Ich saß oft am PC und mußte mir die Tränen aus den Augen wischen. Ich versuchte mir so wenig als möglich anmerken zu lassen. Ich konnte meiner Tochter in keinem Fall mehr gerecht werden was uns auch immer mehr voneinander trennte.

Erst durch Manfred bin ich wieder zu mir gekommen und obwohl ich körperlich nun gar nichts mehr machen kann bin ich hier am Tankumsee mit ihm sehr glücklich. 

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Wenn ich sehe welch Prominente sich bei Schwierigkeiten mit Burnout zurückziehen und plötzlich wieder aufstehn, kann es ja nicht so schlimm gewesen sein, oder die Chancen zur Hilfe haben einen großen Fortschritt gemacht. Und ich frage mich warum es bei immer mehr Männern bekannt wird; Frauen müssen viel mehr ihren Mann stehen, um gleiche Anerkennung zu erfahren?!?